Update 21. Dezember 2023
Henschel Hs 129 B-2/R2
Die letzte erhalten gebliebene Führerkabine
Henschel Hs 128 B-2/R2, Werknummer 0385 mit amerikanischen Soldaten 1943 in Tunesien
Das unrestaurierte Cockpit der WNr 0385 im Jahr 1986 vor der Restaurierung
Die Henschel Hs 129 entstammt einer Ausschreibung des RLM aus dem Jahr 1937 für ein kleines Schlachtflugzeug mit starker Panzerung und Bewaffnung. Als Antrieb waren zwei 430 PS Argus As 410 Motoren vorgesehen. Henschel begann 1938 mit dem Entwurf der Hs 129. Rumpf und Flügelmittelstück des Flugzeugs waren eine Einheit. Der Rumpf wurde zur Reduktion von Beschussschäden möglichst eng um den Pilotensitz zu dimensioniert. Die gepanzerte Kabine, das Rumpfheck und die Außenflügel konnten komplett abmontiert werden, was eine schnelle Auswechslung bei Reparaturen ermöglichen sollte.
Der Prototyp flog erstmals 1939 und 1940 kamen die ersten Hs 129 A in die Truppenerprobung, aus welcher der Flugzeugtyp mit einer der schlechtesten Beurteilung deutscher Flugzeuge zurückkehrte. Die Konstruktion war unausgereift. Bemängelt wurden die fliegerischen Eigenschaften, die unzureichende Motorleistung und die äußerst schlechte Sicht aus der engen gepanzerten Kabine. Henschel überarbeitete die Konstruktion, aber auch die Verwendung der stärkeren As 410 A-1 Motoren mit 465 PS brachten keine große Verbesserung.
Erst der Einbau von zwei 740 PS starken Gnome-Rhone Sternmotoren, die im besetzten Frankreich in großer Zahl vorgefunden worden waren und die Umkonstruktion der Pilotenkabine mit größeren Sichtfenstern machte aus der nun als Hs 129 B bezeichneten Maschine schließlich ein brauchbares, leistungsfähiges Schlachtflugzeug mit stabilen Flugeigenschaften.
Zum Einsatz kam die Maschine, die auch als „fliegender Büchsenöffner“ bezeichnet wurde, ab Anfang 1942 bis Kriegsende überwiegend an der Ostfront. Nur ein kurzes Intermezzo waren die Einsätze der Hs 129 Ende 1942 bis Anfang 1943 in Tunesien.
Insgesamt sind 882 Henschel Hs 129 bis 1944 gebaut worden, davon jedoch nur 20 der A-Version. Alle anderen waren Hs 129 B-0, B-1, B-2 und B-3. Die mit Abstand häufigste Version war die Hs 129 B-2 mit 792 Stück.
Ausführliche Informationen und weiterführende Literatur zur Geschichte der Hs 129 finden sich hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Henschel_Hs_129
Werksfoto der Henschel-Flugzeugwerke
Das letzte erhalten gebliebene Cockpit stammt – soweit bisher recherchiert – von einer Henschel Hs 129 B-2/R2, die im Sommer 1943 in El Aouina in Tunesien von den Alliierten erbeutet worden ist. Ursprünglich ist die Maschine mit der Werknummer 0385 und dem Stammkennzeichen PG+MV am 21. Oktober 1942 bei Henschel ausgeliefert worden. Sie kam schließlich nach Nordafrika und flog ihre Einsätze als „blaue G“ bei der 8.(Pz)/Sch.G 2.
Am 7. April 1943 wurde sie bei einem Einsatz durch Flakfeuer beschädigt und landete in Toubakeur mit 20% Schadensgrad nach Einstufung der Luftwaffe. Bereits zuvor waren nach den Einsätzen mehrere Beschussschäden repariert worden.
Zur Reparatur wurde die Maschine zerlegt und sollte nach El Aouina transportiert werden. Dazu kam es nicht mehr und sie wurde nach der deutschen Kapitulation von den Alliierten mit abgenommenen Tragflächenenden vorgefunden. Der Zustand wurde in einer Dokumentation der erbeuteten Maschinen als gut befunden.
Nach dem Transport in die USA landete die Hs 129 im August 1943 in Wright Field/Ohio. Es dauerte jedoch noch bis Mitte April 1944, bis die beauftragte Firma mit den Arbeiten zur Wiederherstellung der Flugfähigkeit begann.
Das Flugzeug wurde zerlegt, gereinigt und wo erforderlich repariert. Eine Liste mit der fehlenden Ausrüstung wurde aufgestellt und die Lackierung teilweise entfernt. Ein Teil der Instrumente für die Flugüberwachung und die Triebwerke wurde wurden zur Sicherheit durch amerikanische Geräte ersetzt. Ansonsten wurde das Flugzeug so original wie möglich belassen.
Im Juni 1944 erhielt die Henschel für Testflüge das Kennzeichen EB-105 vom Evaluation Branch. Im September 1944 waren die Arbeiten an der Hs 129 immer noch im Gange, aber nachdem das Kriegsende langsam absehbar war, nahm der Druck zum Test deutscher Flugzeuge ab.
Ende September 1945 erhielt die Maschine mit FE-4600 (Foreign Evaluation) eine neue Kennung mit der die inzwischen fertiggestellte Hs 129 auf einer Beuteflugzeug-Ausstellung in Freeman Field/Indiana gezeigt wurde. Dafür hatte sie auch einen neuen Anstrich mit dunkelgrünen Oberseiten und deutschen Kennzeichen erhalten. Danach war vorgesehen, die Henschel in Davis-Monthan in Arizona einzulagern.
Am 24. Juli 1946 sollte ein Testpilot dafür die Maschine nach Berry Field in Nashville/Tennessee überführen und dann weiter nach Tucson in Arizona. Begleitet wurde sie dabei von einer zweimotorigen Beech C-45 mit einem Mechaniker, der beim Anlassen und Abstellen der Motoren helfen sollte.
Während des Fluges gab es vermutlich durch ein Leck Probleme mit der Kraftstoffzufuhr. Der Pilot entschied sich zu einer Notlandung auf einem Feld bei Gallatin/Tennessee. Beim Landeanflug setzten jedoch die Motoren aus. Leider befand sich auf dem Feld ein Drainagegraben, sodass schließlich die Landung mit einem Bruch beendete. Dabei wurden das Fahrwerk, die rechte Tragfläche und die Propeller beschädigt. Die Henschel wurde zerlegt und in das No. 803 Special Depot in Orchard Place gebracht. Da die Halle jedoch während des Korea-Krieges für andere Zwecke gebraucht wurde, landeten die dort gelagerten Flugzeuge einschließlich der Hs 129 im Jahr 1951 auf dem Schrott. Das Cockpit wurde jedoch von einem amerikanischen Sammler für sein Victory Air Museum in Mundelein/Illinois erworben, das bis zu seinem Tod im Jahr 1985 Bestand hatte.
Neuer Besitzer des Hs 129 Cockpits wurde 1986 der Australier Martin Mednis, der es seitdem in seiner Heimatstadt Sydney aufwändig restauriert.
Eine erste Bestandsaufnahme bei der Übernahme zeigte, dass bis zur Herstellung des deutschen Originalzustandes viel Arbeit erforderlich sein würde:
- Beseitigung der zum Teil relativ starken Verschmutzung innen und außen
- Behandlung der Korrosion
- Reparatur von einigen durch Zerlegung und Transport aufgetretenen Schäden
- Entfernung der aufgetragenen amerikanischen Farben
- Ersatz von zahlreichen fehlenden Instrumenten und Ausrüstungsteilen
- Wiederherstellung des Instrumentenbretts, da beim Einbau der amerikanischen Instrumente die rechte Seite ausgeschnitten und mit einer neuen Blechplatte abgedeckt worden war.
Bei der Restaurierung gelang es Martin Mednis auch, die deutsche Identität des Flugzeugs mit der Werknummer 0385 zu enträtseln, denn bisher waren nur dessen amerikanische Beutekennungen EB-105 und FE-4600 bekannt gewesen.
Von der Werknummer her ist die Maschine eine Hs 129 B-2, aber zahlreiche Merkmale deuten eher auf eine B-1 Version hin. Einige Teile stammten auch aus einer Hs 129 B-2 mit der Werknummer 0388, die vermutlich schon bei Reparaturen an der Front eingebaut worden waren. Letztere ist am 27. März 1943 nach Flaktreffer bauchgelandet und abgeschrieben worden. Üblicherweise hat die Luftwaffe soweit möglich alles Brauchbare aus solchen Wracks zwecks Ersatzteilgewinnung ausgebaut.
Martin Mednis arbeitet mit einer großen Sorgfalt und Akribie bei der Restaurierung. Soweit möglich soll der Originalzustand bei der Ausrüstung beibehalten werden. Wo eine Reinigung und Korrosionsbehandlung nicht ausreicht wird jedoch neu lackiert.
Bei der Zerlegung zwecks Reinigung von größeren Baugruppen wie den Gerätekonsolen links und rechts war auch konstruktives Wissen gefragt: wie bewegen sich zum Beispiel die die Gas- und Landeklappenhebel?
Fehlende Teile will Mednis möglichst durch historische deutsche Normteile ersetzen. Bei der Beschaffung von den zahlreichen erforderlichen Ausrüstungs- und Kleinteilen, wie Schrauben, Klemmen, Klammern oder Halterungen, aber auch Teilen der Elektrik und Instrumente helfen ihm seine zahlreichen Kontakte nach Deutschland, die er immer wieder bittet, nach dem Gesuchten Ausschau zu halten. Das hilft ihm auch bei der Rekonstruktion von den fehlenden oder nur noch teilweise vorhandenen Beschriftungen und Hinweisschildern.
Einige Teile wie die Halterung des Variometers und der Kabinenleuchte oder des Reviträgers mussten anhand der vorliegenden Unterlagen auch rekonstruiert und neu gefertigt werden.
Bei der Lackierung hält Martin Mednis sich an den vorhandenen Farbresten. Diese fallen bei den Blech- und Bauteilen unterschiedlicher Zulieferer zum Teil unterschiedlich aus und enthalten manche Überraschungen.
Bis zur Fertigstellung dieser weltweit einzigartigen Rarität wird aber voraussichtlich noch einige Zeit vergehen.
Ausrüstung im Cockpit der Hs 129 B-2/R2, Werknummer 0385:
(Zusammengestellt nach dem Stand der laufenden Restaurierung)
Quelle: Archiv Hafner
Nr Gerät Anzeige Gerätenummer
1 Schalter für Bildgerät, Kraftstoffpumpen, Fl. 32350
Wendezeiger, Staurohrheizung, Kennlichter
Scheinwerfer
2 Hebel für Gemisch
3 Hebel für 110% Leistung
4 Hebel für Normalgas
5 Feststellhebel für Normalgas
6 Abstellknopf für Fahrwerk-Warnhupe Fl. 32302
7 Brandhahn-Hebel
8 Verdunkler für die Gerätelampe Fl. 32401-4
9 Schalter für Trimmruder-Verstellanlage
(bei B-0 noch mit Anzeigegeräten)
10 Handgriff für die Kabinenhaube
11 Zündschalter Fl. 21119
12 Verdunkler für Reflexvisier Fl. 32402-1
13 Netzeinschalter
14 Netzausschalter Fl. 32315-2
15 Schaltkasten für die Luftschraubenverstellung Fl.XXX
darüber Schusszählerkasten SZKK4 Fl. 47319
16 Schauzeichen für die Staurohrheizung Fl. 32525-1
darunter Anzeigeleuchten für das Fahrwerk Fl. 32529
17 Schieber für die Betriebsdatentafel Fl. 23501
18 Fein- und Grobhöhenmesser Fl. 22320
19 Fahrtmesser Fl. 22231
20 Borduhr Bo UK 1 Fl 23885
21 Hebel für Haubennotabwurf
22 Führertochterkompass Fl. 23334
23 elektrischer Wendezeiger Fl. 22407
24 Doppel-Ladedruckmesser Fl. 20556
25 Einbauort für Bediengerät BG 25a (abgedeckt) Ln. 28810
26 Zünderschaltkasten ZSK 244 A Fl. 50869
27 Zuggriff für Bombennotwurf
28 Zuggriff für Feuerlöscher
rechts daneben Gerätelampe Fl. 32259
und Variometer Fl. 22382
29 Schalter für Heizung, Umformer und FuG 25 Fl. 32350
30 Kopfhörer-Anschlussdose AD 18 Ln. 27266
31 Hebel für Landeklappe
32 Hebel für Fahrwerk
33 Notbetätigung für die Kühlerklappen
34 Signalgerät
35 Hebel und Einführungslosch für Druckölhandpumpe
(Notbetätigung Fahrwerk)
Peter W. Cohausz, Oliver Jordan, Sommer 2023
Quellen:
Flugzeug Classic Extra „Henschel Hs 129“, 2021
Luftfahrtarchiv Hafner
Martin Pegg „Hs 129 Panzerjäger!“, Classic Publications 1997
Fotos Sammlung Martin Mednis, soweit nicht anders angegeben
1. Lagerung für das Revi und Justierröhrchen, Teile-Nr.: 129.940-42
Die Lagerung des Reflexvisiers, auch als Lagerbock bekannt, ist ein komplexes Teil, bestehend aus zahlreichen Einzelteilen. Integriert ist eine Vorrichtung zum Justieren des Revis. Benötigt werden sämtliche Teile und Zeichnungen des Lagerbocks zur Aufnahme und Justierung des Reflexvisiers.
originale Fragmente der Revilagerung aus einem Absturzfund in Russland
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